Die Deutsche Post hat die öffentliche Kritik am E‑Postbrief in zahlreichen Blogs und der Presse zum Anlass genommen, heute von 11 bis 12 Uhr zu einer Web-Konferenz einzuladen. Journalisten, Blogger und Interessierte waren zur Online-Konferenz geladen u.a. der Autor dieses Blogs anläßlich des Beitrags “Der E‑Postbrief und De-Mail: Segensbringer oder Mogelpackung?”. Fragen konnten im Vorfeld eingereicht oder während der Konferenz via Chat gestellt werden. Dr. Georg Rau, Geschäftsbereichleiter IT-Application Management stand Rede und Antwort.
Ein Videomitschnitt ist mittlerweile online — mehr lesen Sie hier: “E‑Postbrief: Videos der Web-Konferenz vom 25.08.2010 online”
Zusammenfassend bleibt zu sagen, daß die Deutsche Post die geäußerte Kritik ernst und nicht auf die leichte Schulter nimmt. Auch wenn Fragen unbeantwortet geblieben sind u.a. aufgrund des vorhandenen Zeitrahmens von knapp über einer Stunde oder der hinter dem E‑Postbrief stehenden technischen Details, so ist der proaktive Umgang mit der Kritik an Produkt und Dienstleistung sehr zu begrüßen. Offene Punkte aus den zahlreichen konstruktiven kritischen Beiträgen im Netz sollten jedoch weiterhin ernst genommen werden. Doch hier nun die Details:
Technische Probleme
Einleitend wurde auf die aktuelle Anlaufphase des E‑Postbriefs eingegangen. Die volle Funktionalität stünde noch nicht bereit, ein größeres Release mit Funktionserweiterung steht für November 2010 an. Technische Probleme wären in dieser Phase durchaus normal, man hätte jedoch im Service-Bereich entsprechend reagiert, um dem Zulauf Herr zu werden. Dr. Rau entschuldigte sich für bisher entstandene Probleme und Verzögerungen, die er mit mehr Personal und Schulung in den Griff bekommen will. Der Fokus für den Anwender läge zur Zeit noch nicht auf dem vollen Funktionsumfang, sondern mehr in der Reservierungsmöglichkeit der eigenen E‑Postbriefadresse.
Das Ident-Verfahren
Der aktuelle Identifizierungsablauf erscheint einigen Interessenten und Anwendern als zu umständlich (Online Anmeldung, Briefpost mit weiteren Informationen, Post-Ident-Verfahren zur Verifizierung), ist jedoch lt. Dr. Rau aufgrund der aktuellen Gesetzgebung so am Besten umsetzbar. Es ist geplant, den neuen Personalausweis mit Signaturfunktion zukünftig für die Identifizierung zu nutzen. Auf den Einwand des Autors, der neue Ausweis stünde seit gestern aufgrund Sicherheitsmängeln im Zusammenspiel mit dem angedachten Lesegerät unter Beschuß, wurde prompt reagiert. Dieser Punkt würde sehr kritisch und genau geprüft werden und eine Umsetzung / Zulassung erst nach Ausräumen der Sicherheitsbedenken erfolgen.
Datenschutz und Datensicherheit
Wie zu erwarten war, kam das Thema Datenschutz u.a. bei Ausdruck der E‑Post und Versand per Briefpost zur Sprache. Dieser Punkt steht zu Recht unter Beschuß und bietet die Möglichkeit, der beworbenen Leistung “Vertraulichkeit” zu widersprechen. Technische Mittel wie Hochgeschwindigkeitsdruck und Kuvertierung sollen die Einsichtnahme durch Mitarbeiter weitestgehend ausschließen. Sie können diese jedoch nicht verhindern. Dr. Rau berief sich hier auf Datenschutzvereinbarungen mit den Mitarbeitern und warb um das Vertrauen der Nutzer, die in anderen Fällen persönliche und vertrauliche Informationen ebenfalls an Unternehmen weitergeben.
Die Datensicherheit gegen Angriffe von außen z.B. durch Hacker soll durch die Nutzung aktueller technischer Sicherheitsmaßnahmen gewährleistet werden. Unter anderem würden die Systeme durch interne sog. “white hacker” — Teams regelmäßig Sicherheits- und Streßtests unterzogen. Aktuell würde der E‑Postbrief ein Zertifizierungsverfahren durch den TÜV Nord durchlaufen, jährliche Überprüfungen und Kontrollen seien angedacht.
Adresshandel und Spam
“Ob denn die Deutsche Post einen regen Adreßhandel mit den E‑Postbriefadressen plane? Schließlich stünden alle Nutzer in einem zentralen öffentlichen Verzeichnis in geeigneter Form zur Verfügung. Und wie sei das Risiko für Spam einzuschätzen?” fragten zwei Teilnehmer der Web-Konferenz. Die Absicht des Adreßhandels wurde explizit mehrfach verneint, der Schutz der Daten hätte höchste Priorität. Lediglich die Adreßweitergabe wie in Form des Umzugsservice der Deutschen Post sei geplant, aber gesondert durch den Nutzer zu aktivieren. Beim Thema Spam wurde die Antwort unpräziser. Sicher seien die Adressen einzusehen, aber diese dürften lt. aktueller Gesetzgebung nicht für unerlaubte Werbung (Spam) genutzt werden. Bleibt die Frage, ob sich die Spamversender daran halten. Der Anwender wäre jedoch technisch durchaus in der Lage, bestimmte Spam-Absender zu blockieren — was andere Provider mit verschiedenen technischen Mitteln ebenfalls anbieten.
Vorratsdatenspeicherung / Sicherheit der Signaturschlüssel
Enttäuschte Reaktionen rief die Beantwortung der Frage nach dem Thema Vorratsdatenspeicherung und Herausgabe der Signaturschlüssel hervor. War die Aussage zur Vorratsdatenspeicherung noch erfreulich klar mit “Solange diese kein bindendes Gesetz ist [zur Zeit ist die Vorratsdatenspeicherung ausgesetzt, Anm. des Autors], fallen E‑Postbriefe auch nicht unter diese Regelung”, so Dr. Rau. Sollte sie jedoch geltendes Recht werden, so müsse sich diesem die Deutsche Post unterwerfen — quod erat expectandum. Um die Antwort zur Herausgabe von Signaturschlüsseln der Anwender lavierte man jedoch herum. Letztendlich rang man sich zur Aussage durch, man könne nicht ausschließen, in eine rechtliche Situation zu gelangen, in der man zur Herausgabe gezwungen sei.
Usability (Zugriff, Protokolle, Einbindung in Outlook & Co)
Eine Nutzung des Dienstes per POP, IMAP und SMTP sowie die Einbindung in aktuelle Email-Clients z.B. über Plugins sei angedacht. Diese würden jedoch erst zur Umsetzung kommen, wenn die Sicherheitsanforderungen erfüllt sind und durchgehend in der Kommunikationskette eingehalten werden können.
Ein Thema, verschiedene Anbieter und Standards
Die Frage des Autors, ob denn eine Zusammenarbeit und ein Datenaustausch mit anderen Anbietern ähnlicher Produkte angedacht ist, wurde weder bejaht noch verneint. Man wolle diese nicht ausschließen, aber heute auch nicht zusagen. Hier wäre eine Prüfung und ein Abgleich der getroffenen Sicherheitsvorkehrungen und deren technischer Umsetzung notwendig, bevor Entscheidungen getroffen werden können. Sollte es hier zu keiner Zusammenarbeit kommen, droht das Nebeneinander mehrerer Standards und Anbieter in voneinander hermetisch gegeneinander abgeschirmten technischen Welten. Anwenderfreundlichkeit sieht dann sicher anders aus.
Urlaubsvertretung / Passwortweitergabe
Für Irritationen sorgte der Vorschlag, in Abwesenheit z.B. bei Urlaub einer vertrauten Person die Zugangsdaten für den E‑Postbrief zu überlassen, damit diese regelmäßig nach möglicherweise rechtlich relevanten E‑Postbriefen schauen kann. “Ähnlich wie dem Nachbarn den Schlüssel für den Briefkasten geben”, das wäre ja ebenfalls Usus, so Dr. Rau. Selbst der Nachsatz, man könne auf jeden Fall die Lesezugriffe und eventuell auch die Schreibzugriffe im Profil reglementieren, konnte die Situation nicht retten. Unter den aktiven Konferenz-Chat-Teilnehmern herrschte Einigkeit, das solche sensiblen Informationen nicht weitergegeben werden sollten.
Zukünftige Features
Ab November soll es eine Möglichkeit geben, eine private und eine berufliche E‑Postbriefadresse zu registrieren z.B. für Freiberufler und Einzelunternehmer. Ebenfalls ab November soll der Empfänger eines E‑Postbriefs die Wahlmöglichkeit haben, ob er an seine Postanschrift gerichtete E‑Postbriefe elektronisch oder in ausgedruckter Form erhalten möchte.
Offene Punkte
Kontinuierliche Anpassungen der AGB an technische oder rechtliche Veränderungen wurden in Aussicht gestellt. Konkrete Stellungnahmen zu zahlreichen Kritikpunkten an den ursprünglichen und aktuellen AGB gab es keine.
Ferner wurden keine Aussagen getroffen zur voraussichtlichen Lebensdauer des Produkts E‑Postbrief (einigen Postdienstleistungen war nach einiger Zeit das vorzeitige Aus beschieden) noch zur aktuellen Zahl registrierter oder verifizierter Nutzer.
Fazit
Auch wenn Fragen ganz oder teilweise unbeantwortet blieben, sind die Verantwortlichen des E‑Postbriefs auf dem Weg in die richtige Richtung. Kritik wird nicht totgeschwiegen, sondern Anwender und Interessenten zu einem offenen Austausch eingeladen.
Wer aktiv an dem Thema dranbleiben möchte:
- webkonferenz.epostbrief@deutschepost.de
- Twitter
- Facebook
- E‑Postbrief: Videos der Web-Konferenz vom 25.08.2010 online
Weitere Artikel, die sich kritisch mit dem E‑Postbrief auseinandersetzen:
- Der E‑Postbrief hakt noch
- Briefgeheimnis, Datenschutz und IT-Sicherheit — der E‑Postbrief in der Kritik
- Artikel der Stiftung Warentest
- Der E‑Postbrief und De-Mail: Segensbringer oder Mogelpackung?
- Der E‑Postbrief: Die gelbe Gefahr
Viele Fragen beantworten ebenfalls die Frequent Asked Questions (FAQ) der Deutschen Post zu E‑Postbrief:
- FAQ
Weitere Links zum Thema:
8 Responses
Zum De-Mail Gesetzentwurf hat heise news gerade einen sehr aufschlussreichen Artikel veröffentlicht.
Insbesondere die Deutsche Notarvereinigung hält das De-Mail Gesetz für eine Mogelpackung!
Interessant auch, das die Geheimdienste und die Polizei ohne weiteres, ohne Richterbeschluss Zugang zu den Postfachern erhalten sollen…
Siehe:
http://www.heise.de/security/meldung/Scharfe-Kritik-am-De-Mail-Gesetzentwurf-im-Bundestag-1184961.html
Nach Ansicht der Deutschen Notarvereinigung ist De-Mail eine Mogelpackung und Bauernfängerei:
http://www.heise.de/security/meldung/Scharfe-Kritik-am-De-Mail-Gesetzentwurf-im-Bundestag-1184961.html
[…] Deutsche Post steht Rede und Antwort zum E‑Postbrief (Bericht von der Web-Konferenz am 25.08.2010) (bdsg-externer-datenschutzbeauftragter.de) […]
Ich finde es sehr gut, dass die Post solche Kritiken ernst nimmt. Das zeigt zumindest, dass denen an Ihren künftigen und aktuellen Kunden viel gelegen ist und sie ein kundenfreundliches Unternehmen sein wollen. Jetzt darf man allerdings gespannt sein, wie viel wirklich geändert wird.
[…] am 28.8.: Hier habe ich inzwischen mehr zur Web-Konferenz gefunden – es blieben wohl noch viele Fragen, aber […]
Nun ja, meine Frage zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) wurde zwar beantwortet mit “derzeit nicht”, aber, wie auch hier im Beitrag erwähnt, wird die DPAG wohl nach Wiedereinführung der VDS dazu gezwungen sein, die gleichen Daten auf Vorrat zu speichern, wie es bei der normalen E‑Mail der Fall ist. Von daher war die Antwort zwar recht klar, aber auf meinen Kritikpunkt, dass man dann nicht von “gleicher Vertraulichkeit” wie beim Brief sprechen könne, wurde nicht eingegangen.
Aber genau das ist doch die Krux: Eine Speicherung der Verbindungsdaten (Absender, Empfänger, Ort, Zeit, IP, etc.) zur Herausgabe an staatliche Institutionen als “vertraulich” zu bezeichnen, halte ich für irreführend. Jeder Brief ist da besser gestellt.
Dem stimme ich völlig zu. Vertraulichkeit ist etwas völlig anderes. Andererseits ist inzwischen das so genannte Briefgeheimnis ebenso viel Wert wie das frühere Bankgeheimnis. Das Dilemma ist die unzureichende Gesetzgebung, die jede Menge Schlupflöcher bietet, sei es durch deutsche, sei es durch euopäische Gesetzgebung.
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