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Bewerbermanagement

Mal eben kurz das Social Net­work scannen

Der Hes­si­sche Daten­schutz- und Infor­ma­ti­ons­frei­heits­be­auf­trag­te (HBDI) hat in sei­nem 51. Tätig­keits­be­richt für das Jahr 2022 ein inter­es­san­tes und auch bei unse­ren Kun­den wie­der­keh­ren­des The­ma auf­ge­grif­fen. Unter der etwas sper­ri­gen Über­schrift “Acti­ve Sourcing zur Gewin­nung von Bewer­be­rin­nen und Bewer­bern” befasst sich der HBDI auf den Sei­ten 156 bis 161 recht aus­führ­lich mit der Fra­ge­stel­lung, ob und inwie­weit Sozia­le Netz­wer­ke wie Lin­ke­dIn oder XING, aber auch das Inter­net an sich zur akti­ven Gewin­nung neu­er Mit­ar­bei­ter durch die Per­so­nal­ab­tei­lung oder Per­so­nal­dienst­leis­ter genutzt wer­den dürfen.

Der Stein des Anstoßes

Eine Beschwer­de­füh­re­rin wand­te sich an den HBDI, da sie ein Schrei­ben eines Per­so­nal­dienst­leis­ters erhielt, in dem sie gemäß Art. 14 DSGVO über die Auf­nah­me ihrer per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten in eine Recrui­ting-Daten­bank infor­miert wur­de. Der Dienst­leis­ter stieß über eine Such­ma­schi­ne anhand von Qua­li­fi­ka­ti­ons­kri­te­ri­en und Tätig­keits­an­ga­ben auf die im beruf­li­chen Kon­text betrie­be­ne Web­sei­te der Beschwer­de­füh­re­rin und ent­nahm die­ser die Kon­takt­da­ten (per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten). Über die­se Ver­ar­bei­tung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten infor­mier­te der Dienst­leis­ter mit sei­nem Schrei­ben die Betrof­fe­ne u.a. zu Auf­nah­me ihrer per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten zum Zwe­cke der Per­so­nal­ver­mitt­lung in die Daten­bank des Dienst­leis­ters,  die Kon­takt­da­ten des Ver­ant­wort­li­chen sowie des Daten­schutz­be­auf­trag­ten und der Hin­weis auf das mög­li­che Wider­spruchs­recht. Der HBDI prüf­te im Fol­gen­den die Recht­mä­ßig­keit der Ver­ar­bei­tung (Rechts­grund­la­ge) sowie die trans­pa­ren­te und voll­stän­di­ge Ertei­lung der Infor­ma­ti­ons­pflich­ten nach Art. 14 DSGVO.

Um es kurz zu machen: Alles roger! In die­sem kon­kre­ten Fall

Als Rechts­grund­la­ge sieht der HBDI Art. 6. Abs. 1 Buch­sta­be f DSGVO, das sog. “berech­tig­te Inter­es­se” des Per­so­nal­dienst­leis­ters. Bei Gel­tend­ma­chung des berech­tig­ten Inter­es­ses gilt es, durch den Ver­ant­wort­li­chen zu prü­fen, ob nicht die Inter­es­sen des Betrof­fe­nen an einer Nicht-Ver­ar­bei­tung höher wie­gen als die eige­nen Inter­es­sen (sog. Inter­es­sens­ab­wä­gung, die auch zu doku­men­tie­ren ist). Das wirt­schaft­li­che Inter­es­se des Dienst­leis­ters wird in die­sem kon­kre­ten Fall sei­tens des HBDI als höher­wer­tig ange­se­hen. Dies ist jedoch an die Vor­aus­set­zun­gen geknüpft, dass die per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten in berufs­be­zo­ge­nen Netz­wer­ken oder auf im beruf­li­chen Kon­text betrie­be­nen Web­sei­ten all­ge­mein zugäng­lich sind, d.h. es kei­ner­lei Zugriffs­be­schrän­kun­gen gibt. Dabei wäre nach unse­rem Dafür­hal­ten auch zu berück­sich­ti­gen, ob bei den Kon­takt­da­ten kei­ne ent­ge­gen­ste­hen­de Aus­sa­gen getrof­fen wer­den wie “Hier­mit wider­spre­che ich der Auf­nah­me mei­ner Kon­takt­da­ten in Recrui­ting-Daten­ban­ken” (oder sinn­ge­mäß ähnlich).

Als Beson­der­heit führt der HBDI den mög­li­chen Fall der Ein­schrän­kung von Nut­zer­pro­fi­len in Netz­wer­ken an. Hier­bei sind die Kon­takt­da­ten des Nut­zers erst nach einer sog. “Ver­net­zung” bzw. Kon­takt­an­fra­ge für den Anfra­gen­den sicht­bar. Der HBDI stellt klar, dass die rei­ne Akzep­tanz einer sol­chen Ver­net­zungs­an­fra­ge noch kei­ne Ein­wil­li­gung in die Auf­nah­me in eine Daten­bank durch den betrof­fe­nen Nut­zer dar­stellt. Viel­mehr muss der Anfra­gen­de in sei­ner Ver­net­zungs­an­fra­ge kon­kret auf den ange­dach­ten Zweck, näm­lich der Kon­takt­auf­nah­me zwecks Erfas­sung der Daten für die Recrui­ting-Daten­bank hin­wei­sen. Eigent­lich logisch, aber sehr gut, dass die­ser Sach­ver­halt noch­mals betont wird.

Infor­ma­ti­ons­pflich­ten nach Art. 14 DSGVO nicht vergessen

Sind auf die­sem Wege per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten für die eige­ne Recrui­ting-Daten­bank gewon­nen, gilt es nun, die Infor­ma­ti­ons­pflich­ten nach Art. 14 DSGVO umfäng­lich gegen­über dem Betrof­fe­nen zu ertei­len. Dabei darf das Wider­spruchs­recht nach Art. 14 Abs. 2 Buch­sta­be c DSGVO nicht ver­ges­sen wer­den. Denn nur dann gilt in Ver­bin­dung mit der zuvor genann­ten Vor­ge­hens­wei­se lt. HDBI, “dass Acti­ve Sourcing in Über­ein­stim­mung mit den Bestim­mun­gen des Daten­schut­zes erfol­gen kann.”

Hap­py recruiting!

Kalen­der-Ein­la­dun­gen zu Bewer­bungs­ge­sprä­chen z.B. in Outloook

Im Tätig­keits­be­richt für das Jahr 2021 hat das Baye­ri­sche Lan­des­amt für Daten­schutz­auf­sicht (kurz BayL­DA) — exter­ner Link: https://​www​.lda​.bay​ern​.de/​m​e​d​i​a​/​b​a​y​l​d​a​_​r​e​p​o​r​t​_​1​1​.​pdf — ein inter­es­san­tes The­ma aus dem Arbeits­all­tag einer jeden Orga­ni­sa­ti­on beleuch­tet. Näm­lich den Umgang mit Bewer­ber­da­ten im Rah­men der Orga­ni­sa­ti­on von Bewer­bungs­ge­sprä­chen. An Bewer­ber­ge­sprä­chen neh­men in den meis­ten Orga­ni­sa­tio­nen nor­ma­ler­wei­se meh­re­re Per­so­nen teil. Eine Ter­min­ein­la­dung über Out­look oder ver­gleich­ba­re Tools bringt die not­wen­di­gen inter­nen Per­so­nen und den /​ die Bewer­ber zum rich­ti­gen Zeit­punkt an den Tisch. Was dabei aus Sicht des BayL­DA so alles aus Sicht des Daten­schut­zes schief­ge­hen kann, fin­det sich ab Sei­te 50 des TB 2021 (oben verlinkt).

Ter­min­ver­ein­ba­run­gen mit Bewer­bern via (Out­look-) Kalendereinladung

Bewer­ber­ma­nage­ment benö­tigt unter ande­rem Ter­mi­ne für die Vor­stel­lungs­ge­sprä­che. Aktu­el­le Kol­la­bo­ra­ti­ons­tools wie z.B. Out­look ver­wal­ten die Ter­mi­ne für die nöti­gen Bewer­bungs­ge­sprä­che samt der dazu­ge­hö­ri­gen Ein­la­dun­gen an die dafür not­wen­di­gen Per­so­nen im Kalen­der der orga­ni­sie­ren­den Per­so­nal­ab­tei­lung aber auch der Teil­neh­mer. Die Ein­tra­gun­gen ent­hal­ten für gewöhn­lich den Namen des Bewer­bers oder der Bewer­be­rin und zumeist Anga­ben zu der Stel­le, auf die sich das Bewer­bungs­ge­spräch bezieht. In man­chen Fäl­len kom­men noch wei­te­re Infor­ma­tio­nen hin­zu. Gele­gent­lich sind zur Infor­ma­ti­ons­ver­tei­lung sogar noch­mals die Bewer­bungs­un­ter­la­gen beigefügt.

Kalen­der-Ein­tra­gun­gen gera­ten schnell zum Datenschutz-Problem

Das BayL­DA hat kei­ne Pro­ble­me damit, dass der Name des Bewer­bers im Kalen­der und in der Ein­la­dung ste­hen. Es hat auch nichts dage­gen, dass das Stich­wort „Bewer­bungs­ge­spräch“ ent­hal­ten ist. Bei allem, was dar­über hin­aus­geht, sieht das BayL­DA jedoch fol­gen­de daten­schutz­recht­li­che Pro­ble­me bzw. Anforderungen

Ein­ge­schränk­ter Zugriff auf die Daten des Bewer­bers (Ver­trau­lich­keit) und Ein­hal­tung eines geeig­ne­ten Lösch­kon­zepts müs­sen sicher­ge­stellt sein

Orga­ni­sa­tio­nen dür­fen Daten von Per­so­nen, die sich bewer­ben, nur an einem Spei­cher­ort spei­chern, der dazu aus der Sicht des Daten­schut­zes geeig­net ist. Dafür muss die­ser Spei­cher­ort zumin­dest zwei Kri­te­ri­en genügen:

  • Es muss ein Zugriffs­kon­zept vor­han­den sein. Es muss also genau defi­niert sein, wer auf die Daten zugrei­fen kann. Der Kreis der Zugriffs­be­rech­tig­ten muss auf ein Min­dest­maß beschränkt sein.
  • Es muss fest­ste­hen, wann und wie gespei­cher­te Daten des Bewer­bers wie­der gelöscht wer­den. Sie dür­fen nur so lan­ge gespei­chert wer­den, wie das erfor­der­lich ist. Auch die­ses Prin­zip ist im Daten­schutz nicht neu.

Bei Kalen­der-Ein­trä­gen und geteil­ten Kalen­ders ist bei­des oft schwierig

Wich­tig dabei: Die­se Kon­zep­te soll­ten nicht nur auf dem Papier vor­han­den sein, son­dern auch — beleg- und nach­voll­zieh­bar — gelebt wer­den. Nicht ganz zu Unrecht kom­men­tiert das BayL­DA dazu, dass “die bei­den zuvor genann­ten Kri­te­ri­en bei Kalen­der­nut­zun­gen in den meis­ten Anwendungsfällen der Pra­xis nicht erfüllt wer­den.” Dies schei­tert zumeist schon an den übli­chen Ver­tre­tungs­re­ge­lun­gen für Mail-Post­fä­cher und Kalen­der. Sie füh­ren dazu, dass immer wie­der auch sol­che Mit­ar­bei­ter  auf Daten Zugriff haben, die über­haupt nicht an Bewer­bungs­ge­sprä­chen betei­ligt sind.

Out­look und ande­re Tools ver­lei­ten zu groß­zü­gi­gen Zugriffsregelungen

Sol­che Kalen­der­frei­ga­ben sind viel­fach sehr groß­zü­gig aus­ge­stal­tet. Das soll Ter­min­pla­nun­gen unter meh­re­ren Betei­lig­ten erleich­tern, was ja durch­aus prak­tisch ist. Es kann aber auch dazu füh­ren, dass Mit­ar­bei­ter Zugriff auf Kalen­der­da­ten haben, obwohl es nicht erfor­der­lich wäre. Das­sel­be gilt bei Grup­pen­post­fä­chern, auf die meh­re­re Per­so­nen Zugriff haben.

Kon­se­quenz des BayL­DA: Ergän­zen­de Unter­la­gen gehö­ren nicht in Outlook-Kalender

Vor die­sem Hin­ter­grund sieht es das BayL­DA sehr kri­tisch, wenn Bewer­bungs­un­ter­la­gen, Gesprächs­no­ti­zen und Vor­be­rei­tungs­ver­mer­ke für ein Bewer­bungs­ge­spräch im Out­look-Kalen­der gespei­chert wer­den. Sie gehö­ren dort nicht hin, son­dern viel­mehr in die Obhut der Stel­le, die für Per­so­nal­an­ge­le­gen­hei­ten der Orga­ni­sa­ti­on zustän­dig ist. Die­se kann bei kon­kre­tem Bedarf den Per­so­nen einen Zugriff ein­räu­men, die am Bewer­bungs­ver­fah­ren mit­wir­ken müssen.

Die Löschung aller Daten muss sicher­ge­stellt sein (Lösch­kon­zept)

Beson­de­ren Wert legt das BayL­DA auf die ord­nungs­ge­mä­ße Löschung der Daten nach dem Abschluss eines Bewer­bungs­ver­fah­rens. Dabei sieht es durch­aus, dass auch dann noch ein Zugriff auf Bewer­ber­da­ten erfor­der­lich sein kann. Das gilt etwa, wenn Berichts­pflich­ten der Orga­ni­sa­ti­on z.B. gegen­über der Agen­tur für Arbeit bestehen.

Vor­sicht Fal­le: Der Aus­kunfts­an­spruch von Bewer­bern geht sehr weit

In der Pra­xis soll­te man sich die Fra­ge stel­len, ob man nicht sogar auf den Namen des Bewer­bers im Out­look-Kalen­der ver­zich­ten soll­te. Denn es kommt immer wie­der vor, dass ein Bewer­ber Aus­kunfts­an­sprü­che nach Art. 15 DSGVO gel­tend macht. Dies ist beson­ders häu­fig, wenn jemand die Stel­le nicht bekom­men hat und bei­spiels­wei­se behaup­tet, das lie­ge an einer Dis­kri­mi­nie­rung sei­ner Per­son. Vie­le Juris­ten sind der Auf­fas­sung, dass sich der Aus­kunfts­an­spruch dann auch auf die Ein­tra­gun­gen im Out­look-Kalen­der erstreckt.

Der Auf­wand, der dadurch ent­steht, ist erheb­lich. Die Orga­ni­sa­ti­on muss näm­lich den gesam­ten Out­look-Kalen­der durch­su­chen las­sen. Außer­dem ist unter Umstän­den eine Abfra­ge dazu erfor­der­lich, wel­che Mit­ar­bei­ter Ein­tra­gun­gen dar­aus über­nom­men und lokal abge­spei­chert haben. Dies alles lässt sich ver­mei­den, wenn der Name des Bewer­bers nicht in den Out­look-Kalen­der auf­ge­nom­men wird.

Fazit: Struk­tur und orga­ni­sa­ti­ons­wei­te Rege­lung notwendig

Im Rah­men eines struk­tu­rier­ten Bewer­bungs­pro­zes­ses soll­te jede Orga­ni­sa­ti­on die­se Aspek­te bereits berück­sich­ti­gen und ver­bind­li­che Vor­ge­hens­wei­sen fest­schrei­ben. Das erleich­tert eine ein­heit­li­che und ver­ein­fach­te Vor­ge­hens­wei­se gegen­über der Metho­de “Jeder macht, was er will” 🙂

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