Mit Ver­fü­gung vom 26.07.2010 unter­sagt das Unab­hän­gi­ge Lan­des­zen­trum für Daten­schutz Schles­wig-Hol­stein (ULD) dem Haus­ärz­te­ver­band Schles­wig-Hol­stein e. V. (HÄV SH) unter Andro­hung eines Zwangs­gel­des in Höhe von 30.000 Euro, gemäß dem zwi­schen der AOK Schles­wig-Hol­stein, dem HÄV SH und Dienst­leis­tern abge­schlos­se­nen Ver­trag von ein­ge­schrie­be­nen Haus­ärz­ten stam­men­de Pati­en­ten­da­ten wei­ter­zu­ge­ben oder die­se selbst zu nut­zen. Die sofor­ti­ge Voll­zie­hung die­ser Ver­fü­gung wur­de ange­ord­net. Der Haus­arzt­ver­trag zwi­schen AOK und HÄV SH war durch einen Schlich­ter­spruch zustan­de gekommen.

Nach Auf­fas­sung des ULD ver­fü­gen die Haus­ärz­te wegen des zwi­schen der AOK Schles­wig-Hol­stein, dem Haus­ärtzte­ver­band und Dienst­leis­tern abge­schlos­se­nen Ver­tra­ges über kei­ne aus­rei­chen­de Mög­lich­keit der Kon­trol­le über die Wei­ter­ga­be von Pati­en­ten­da­ten durch ihr Pra­xis­sys­tem. Damit feh­le es auch an den gesetz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen einer Auf­trags­da­ten­ver­ar­bei­tung. Die Ärz­te könn­ten die Kon­trol­le über ihre Pati­en­ten­da­ten als Auf­trag­ge­ber nicht mehr wahrnehmen.

In der Ver­fü­gung heisst es: “An dem Rah­men­ver­trag, der das Ver­hält­nis zwi­schen dem HÄV SH, Dienst­leis­tern und den ein­zel­nen Ärz­tin­nen und Ärz­ten fest­legt, sind Letz­te­re über­haupt nicht betei­ligt. Dar­in wer­den die­se gezwun­gen, auf ihren Pra­xis­sys­te­men Soft­ware gemäß den Vor­ga­ben des Haus­ärz­te­ver­ban­des zu instal­lie­ren, womit das Auf­trags­ver­hält­nis gera­de­zu auf den Kopf gestellt wird. Ihnen wird sogar ver­trag­lich ver­bo­ten, Kennt­nis von wesent­li­chen Ele­men­ten der Soft­ware zu neh­men, so dass sie fak­tisch kei­ne voll­stän­di­ge Kon­trol­le mehr über die Daten auf ihrem Sys­tem hät­ten. Damit wür­den sie nicht nur ihre Daten­schutz­pflich­ten ver­let­zen, son­dern auch ihre ärzt­li­che Schwei­ge­pflicht. Ein Auf­trags­ver­hält­nis ist recht­lich zudem dadurch aus­ge­schlos­sen, dass der Haus­ärz­te­ver­band, der aus­schließ­lich im Inter­es­se und nach Wei­sung der ein­zel­nen Ärz­te die Daten ver­ar­bei­ten soll­te, ein eige­nes Inter­es­se an die­sen Daten hat.”

Aus­lö­ser die­ser Vor­ge­hens­wei­se des ULD ist die im Sep­tem­ber 2009 in Kraft getre­te­ne Novel­le des Bun­des­da­ten­schutz­ge­setz (BDSG), § 11 Auf­trags­da­ten­ver­ar­bei­tung. Die­se for­dert, dass der Auf­trag­ge­ber Herr über die Daten blei­ben muss. Der Auf­trag­neh­mer (das daten­ver­ar­bei­ten­de Unter­neh­men) darf ledig­lich aus­füh­ren­des und wei­sungs­ab­hän­gi­ges Organ sein.

Wäh­rend das ULD bemän­gelt, daß nicht früh­zei­tig auf ent­spre­chen­de Ein­wän­de sei­tens der Daten­schutz­be­hör­de ein­ge­gan­gen wur­de (11.02.2010 Stel­lung­nah­me des ULD zu “Haus­arzt­zen­trier­te Ver­sor­gung und Daten­schutz”), kri­ti­siert aerz​te​zei​tung​.de online“Frag­lich ist auch, war­um das ULD und ihr Chef Thi­lo Wei­chert sich gera­de jetzt mel­den. Schließ­lich gab es die Dis­kus­si­on um den Daten­schutz bei den HzV-Ver­trä­gen längst.” aerz​te​blatt​.de hofft der­weil auf eine bun­des­weit ein­heit­li­che Lösung.

Auch über Fach­krei­se hin­aus zieht das The­ma Krei­se. So berich­tet die Com­pu­ter-Fach­zeit­schrift c’t in Ihrem News­ti­cker über den Vorfall.

Aus recht­li­cher Sicht ist die Ent­schei­dung des ULG nach­voll­zieh­bar und ganz im Sin­ne des BDSG. Aus­nah­men für den medi­zi­ni­schen Bereich sind nicht vor­ge­se­hen. Ob dies jedoch in die­ser Form prak­ti­ka­bel ist, steht auf einem ande­ren Blatt. Blei­ben also nur zwei Mög­lich­kei­ten, wie auch “Das Daten­schutz-Blog” anführt. Ent­we­der stim­men Pati­en­ten in die­se Abrech­nungs­ver­fah­ren­wei­se zuvor wider­ruf­lich schrift­lich ein (wenig prak­ti­ka­bel, wenn es zu einem Wider­ruf kommt) oder der Gesetz­ge­ber macht sich an die Erar­bei­tung eines Pati­en­ten­da­ten­schutz­ge­set­zes und trägt der Pro­ble­ma­tik dar­in Rechnung.

Update vom 16.09.2010:

Die Fron­ten ver­här­ten sich. In einer aktu­el­len Pres­se­mit­tei­lung läßt das ULD verlautbaren:

“Das Vor­ge­hen der HÄVG zwingt nun das ULD dazu, ana­log zum AOK-Ver­trag hin­sicht­lich der HzV-Ver­trä­ge mit den ande­ren Kran­ken­kas­sen Anord­nun­gen vor­zu­be­rei­ten, um die unzu­läs­si­ge Abrech­nung über den HÄV SH und die HÄVG und die dazu vor­ge­se­he­ne Instal­la­ti­on der von den Ärz­ten nicht kon­trol­lier­ba­ren Soft­ware auf deren Rech­nern wirk­sam zu unter­bin­den. Dies ver­ur­sacht gro­ße Kos­ten und Arbeit für vie­le Juris­ten, ohne eine Klä­rung zu brin­gen. Die­se Klä­rung kann nur durch das der­zeit schon lau­fen­de Gerichts­ver­fah­ren her­bei­ge­führt wer­den. Das Vor­ge­hen der HÄVG zeugt von man­geln­dem Respekt vor dem ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Musterverfahren.”

Lesen Sie hier die kom­plet­te Pressemeldung.

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