Sie haben es sicher in den letzten Tagen verfolgt bzw. mitbekommen. TV, Radio, Print und Online-Meldungen geißeln passend zum Schulbeginn das Thema Datenschutz in Verbindung mit Bildern der neu eingeschulten bzw. einzuschulenden Kinder. Der ach so böse Datenschutz bzw. die DSGVO ist nun schuld, dass die stolzen Eltern keine Bilder mehr von ihren Kindern im Rahmen der Einschulung anfertigen dürfen. Verunsicherung durch Fehlinformationen führt dazu, dass die eine oder andere Schule ein komplettes Fotografierverbot verhängt. Neben der Unsicherheit durch falsche Pressemeldungen tragen da auch die überzogenen Sichtweisen und Forderungen einzelner Helikopter-Eltern und die Erfahrungen im Umgang mit diesen zu solchen Überreaktionen bei. Doch ist das Fotografieren an diesem Ehrentag nun wirklich eine Sache des Datenschutzes? Und verbietet der Datenschutz wirklich das Anfertigen solcher Bilder der Liebsten an ihrem wichtigen Tag?
Findet das Thema Datenschutz überhaupt bei Fotografien dieser Art Anwendung?
Schauen wir mal in den Anwendungsbereich des Datenschutzes, konkret in den sachlichen Anwendungsbereich im Art. 2 DSGVO. Dort heißt es im Absatz 2:
Diese Verordnung findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten .…
c) durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten.
Es ist wohl unstrittig, dass ein Foto des eigenen Kindes und sogar der Klassenkameradinnen und Kameraden für das private Fotoalbum eine Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten darstellt. Von daher ist die Aufregung über den bösen Datenschutz, der sich angeblich in immer mehr Bereiche erstreckt, vollkommen fehl am Platz. Für genau solche Fälle hat der Datenschutz eine Grenze gezogen (bekommen). Und daran ändert auch die mantra-artige Wiederholung von „Der Datenschutz ist schuld“ nichts. Ja aber warum denn dann die ganze Aufregung?
Welches Recht spielt denn dann bei Fotografien zur Einschulung eine Rolle?
Wie in den meisten Fällen zum Thema Fotografie spielt hier das Kunsturhebergesetz eine bedeutende Rolle. Dieses Gesetz ist nicht neu, sondern stammt aus dem Beginn des vorigen Jahrhunderts (!), genauer aus 1907. Was hier umgangssprachlich auch gerne mit dem „Recht am eigenen Bild“ assoziiert wird, meint den Umstand, dass ich Bilder von anderen nicht ohne deren Zustimmung öffentlich machen darf, sondern dafür eine Einwilligung des Betroffenen bzw. bei Kindern deren Erziehungsberechtigter benötigt wird. Das leuchtet auch ein, oder? Aber hier kommt jetzt die Tücke der modernen Technik zum Tragen.
Braucht die Schule (der Kindergarten) eine Einwilligung aller Erziehungsberechtigter, um das Fotografieren am Einschulungstag zuzulassen?
Nein, wieso auch? Die Bilder werden von den teilnehmenden Eltern angefertigt. Dies ist lt. DSGVO für das private Fotoalbum auch ohne weitere Auflagen zulässig und bedarf keiner Einwilligung. Da heutzutage Bilder jedoch gerne in sozialen Netzwerken sofort oder nach kurzer Zeit veröffentlicht werden, grätscht das Kunsturhebergesetz, kurz KUG (wohlgemerkt, nicht der Datenschutz!) dazwischen und die veröffentlichenden Eltern (wohlgemerkt, nicht die Schule) würden jetzt eine Einwilligung der Erziehungsberechtigten der mitabgebildeten Kinder benötigen. Dies gilt natürlich nicht, wenn nur der eigene Nachwuchs auf dem Bild zu sehen ist. Aber auch hier wäre die Frage zu stellen, ob wirklich jeder Lebensschritt der eigenen Kinder in sozialen Netzwerken und damit gegenüber Dritten bzw. öffentlich dokumentiert sein muss.
Was ist, wenn die Schule jetzt selbst Bilder anfertigen lässt und veröffentlichen möchte?
In diesem Fall muss die Schule sich um die im KUG vorgeschriebene Einwilligungen der Erziehungsberechtigten kümmern, wenn eine Veröffentlichung durch die Schule selbst geplant ist.
Was ist, wenn die Schule nichts regelt (muss sie ja auch nicht), die fotografierenden Eltern im Anschluss Bilder der Veranstaltung in sozialen Netzwerken oder an anderen Stellen öffentlich zugänglich machen?
Das ist dann ein klares Problem der veröffentlichen Eltern. Der Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz wird gegen die Eltern geahndet, die meinten, sich nicht an geltendes Recht halten zu müssen. Die Schule trifft hier keine Schuld und muss hier für Verstöße der Eltern auch nicht haften. So kann die Schule ja auch keinen Einfluss darauf nehmen, was die Eltern im Anschluss mit den Bildern der Veranstaltung machen.
Hilfreich — zumindest im Sinne des Servicegedankens — wäre jedoch ein entsprechender Hinweis (schriftlich gegenüber den Eltern oder Aushänge am Tag der Veranstaltung) mit dem Hinweis, dass Bilder für private Zwecke gerne gefertigt werden dürfen. Eine Veröffentlichung durch die Eltern außerhalb des familiären Bereichs z.B. in sozialen Medien würde jedoch einen Verstoß gegen das KUG darstellen, für den die Eltern dann selbst haften.
Dann ist der Datenschutz also gar nicht Schuld an der ganzen Aufregung um Bilderverbote am Einschulungstag?
Nö. Aber irgendein Buhmann wird ja benötigt. Und seit Mai 2018 bietet sich der böse Datenschutz geradezu an. Das lenkt perfekt von zahlreichen anderen Versäumnissen ab, wie z.B. die bisherige — oft konsequente — Mißachtung des Kunsturhebergesetzes und des Rechte am eigenen Bild. Das Thema kam zwar im Zuge der DSGVO wieder an die Öffentlichkeit, aber diese Auflagen kommen aus dem KUG, nicht aus den Datenschutzgesetzen. Sorry, liebe DSGVO-Kritiker 🙂
Was ist, wenn die Schule jetzt dennoch ein Fotografierverbot ausspricht? Muss ich mich dann daran halten?
In dem Fall ist es egal, ob die Bilder ausschließlich privat genutzt werden oder vielleicht sogar von weiteren Abgelichteten Einwilligungen zur Veröffentlichung vorliegen. Da die Schule ihr Hausrecht ausübt und auf dem Gelände der Schule Fotografien verbieten kann, gilt dies auf jeden Fall. Wer dennoch ein Foto anfertigen will, muss einfach das Schulgelände verlassen und dann dort das gewünschte Bild schießen.
Vielleicht hilft es aber, wenn die die Beteiligten (Schule, Elternbeirat etc.) vor solchen Veranstaltungen zusammensetzen und unaufgeregt auf Basis der Fakten die Vorgehensweise besprechen und planen. Für ein Verbot gibt es überhaupt keinen Grund. Und wenn die Sachlage den Beteiligten bekannt ist, dann wird das ein entspannter Einschulungstag mit vielen bildhaften und bleibenden Eindrücken. Ganz so wie es sein soll.
Noch ein Tipp an die Handy-Süchtigen: Legen Sie das Smartphone bei solchen Veranstaltungen gerne mal aus der Hand und schauen live der Veranstaltung zu. Diese Emotionen sind durch kein Bild oder verwackeltes Handy-Video später zu ersetzen.
2 Responses
Vielen Dank für diese gute Zusammenfassung.
Eine Frage ist für mich offen geblieben:
Darf die Schule oder ein Elternteil ein Gruppenfoto/Klassenfoto machen und dies an die auf dem Bild abgelichteten Kinder bzw. deren Eltern senden?
Würde hier auch schon einer Veröffentlichung bestehen. Im “analogen” Zeitalter wurden diese Bilder auch entwickelt und verteilt ohne entsprechende Freigabe anfrage.
Hallo!
Das ist eine gute Frage, die im Zweifel nur der Anwaltsprofi beantworten kann. Im Zweifel wird hier wohl mit einer Einwilligung zu arbeiten sein. Könnte man ja gleich mit einer Art Bestellung einer analogen oder digitalen Kopie des Bildes verbinden und in einem Aufwasch bearbeiten. Teil 1 Einwilligung, Teil 2 Hiermit bestelle ich von der og. Aufnahme, für die ich meine Einwilligung zuvor erteilt habe .…
Eine gute Anlaufstelle für diese Frage wäre z.B. https://www.ra-plutte.de/faq-recht-am-eigenen-bild-beispiele/ oder auch https://www.datenschutz-wiki.de/Recht_am_eigenen_Bild (wobei die Bezüge teilweise auf altes BDSG laufen).