Früher war alles anders
Was waren das noch für Zeiten: 1983, die Volkszählung steht für 1987 an. Scharen von Demonstranten auf der Straße — Volkszählung nicht mit uns. Das Bundesverfassungsgericht wird angerufen und gibt den Klägern recht — sensationelles Urteil für die damalige Zeit, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung war geboren. Der Fragebogen musste ausgedünnt werden. Des Volkes Zorn über die Neugier und Datensammelwut seines Staates hatte gesiegt.
Der Sturm im Wasserglas
Heute ist alles anders. Statt Volkszählung spricht man nun vom sog. Zensus (da keine Vollerhebung mehr stattfindet, sondern nur ein Teil der Einwohner befragt wird). Streben nach Moderne oder geschickte Verschleierungstaktik, um die Reaktionen von 1983 wissend? Die mediale Berichterstattung geht gegen Null. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Lediglich ein paar Datenschützer, Ewiggestrige und die üblichen Verdächtigen (Danke an datenschutzbeauftragter-info.de für diese Begrifflichkeit) mahnen zur Vorsicht.
Selbst die Verleihung des Big Brother Awards 2011 am 01.04.2011 an das Bundesamt für Statistik als verantwortliche Stelle für die neue Volkszählung sorgt zwar für etwas Wirbel im Internet, aber auch nur dort.
“Langweilige Daten”
Der verantwortliche Leiter der Volkszählung, oder des nun sogenannten Zensus wiegelt pflichtgemäß ab. Man würde ja nur “langweilige Daten” erheben. Da macht es ja nichts aus, daß 27 der abgefragten Persönlichkeitsmerkmale für mindestens 4 Jahre ohne Anonymisierung gespeichert werden sollen. Eine Zusammenführung mit Daten der Bundesagentur für Arbeit und weiterer Behörden ist durchaus vorgesehen.
Der verspätete Osterhase
Klingelt es nach den Osterfeiertagen bei Ihnen an der Tür, dann wird es nicht der verspätete Osterhase sein. Richten Sie sich eher darauf ein, daß der “Volkszähler“vor Ihnen steht — der nun modern Interviewer heisst. Wenn alles seine Richtigkeit hatte, wurde sein Erscheinen 1–2 Wochen zuvor per Postkarte angekündigt. Die Postkarte stellt sicher, daß Sie über die bevorstehende Befragung informiert sind — ebenso wie Ihr Postzusteller und im Zweifel Ihre Nachbarn.
Das Schweigen der Lämmer
Sollten Sie nicht nur die Beantwortung der freiwilligen Angaben zu Religion, Glaubensrichtung und Weltanschauung verweigern wollen, so sollten Sie sich das noch mal genau überlegen. Nach § 15 BstatG besteht Auskunftspflicht — Widerstand zwecklos. Wer störrisch ist, handelt ordnungswidrig und zahlt — bis zu 5.000 EUR gem. § 23 BstatG.
Sinn oder Unsinn
Die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit einer Volkszählung oder des Zensus wird eigentlich nicht bestritten. Hier verweigern sich lediglich totale Hardliner. Im Fokus der Kritik steht die teilweise nicht erfolgende Anonymisierung und Zusammenführung mit Angaben aus anderen Behörden. Ausführliche Fragen und Antworten finden Sie auf der Zensus-Webseite.
- Beitrag von Guido Strunk: Zensus 2011 — die nächste große Volkszählung rollt an
One response
Endlich mal ein interessanter Artikel, vielen Dank. Muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Generell finde ich den Blog leicht zu verstehen und bequem zu lesen.