Nicht erst seit Mai 2018 und dem Wirksamwerden der DSGVO hörte man das Jammern verschiedener Werbetreibender, man dürfe ja eigentlich gar keine Werbung mehr machen wegen dieses blöden Datenschutzes. Oder noch fatalistischer: “Dann kann ich meinen Vertrieb gleich entlassen und den Laden dichtmachen!”. Gut. Das kann man so sehen, ist aber halt unrichtig 🙂
Wenn man jede Art von gesetzlichem Verbot in den großen und bei den meisten auch undefinierten Sammeltopf Datenschutz wirft, dann mag dieser Trugschluss nahe liegen. Schließlich ist Datenschutz auch am schlechten Wetter schuld oder daran, dass verunfallte Menschen auf der Straße liegen bleiben müssen und weder vom Notarzt noch dem Krankenhaus nach Einlieferung behandelt werden können, “weil Datenschutz” — wie sich ein Vertreter der medizinischen Lobby-Zunft letztes Jahr heftig daneben geäußert hat. Kann man alles so sehen, ist aber halt am Ende doch falsch. Während man die erste Aussage noch humorvoll sportlich nehmen kann, zeugt die zweite Aussage — wie viele andere zum Thema Datenschutz — von einem hohen Maß von Unkenntnis oder schlimmer von beabsichtigter Ignoranz der Sachlage. Doch zurück zum vermeintlichen Werbeverbot durch den bösen Datenschutz.
Relevanter Sidekick: Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, kurz UWG
Da gibt es seit einigen Jahren ein Gesetz mit dem Ziel, Mitbewerber von Unternehmen, die Verbraucher (“Betroffene” im Sinne des Datenschutzes) und die Allgemeinheit (Dreigliedrigkeit des Schutzzweckes) vor einer ungerechten Wettbewerbsverzerrung beispielsweise durch irreführende Werbung zu schützen. Newcomer im Werbebereich mögen nun dem Irrglauben anheimfallen, das UWG gäbe es erst seit der Entstehung sozialer Netzwerke oder — deutlich früher — dem Zeitpunkt, als das Medium Email weltweit massentauglich leicht verfügbar und zugänglich wurde (Stichworte “Bin ich schon drin?” und AOL-CD). Aber das UWG hat dann doch noch mal ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel. Es datiert auf das Jahr 1896 und wurde seither nach Bedarf immer wieder mal novelliert.
Nun, auch kein Wunder, dass die meisten Gerichte mittlerweile davon ausgehen, dass nach fast 130 Jahren die Inhalte und Sachverhalte des UWG durchaus bei den Werbetreibenden bekannt sein könnten und das auch in ihre Urteile einfließen lassen 🙂 Natürlich zu Lasten derjenigen, die das UWG nicht ganz so ernst nehmen oder mehr für eine Empfehlung halten.
Jetzt ist das UWG, wie jedes andere Gesetz keine einfache Feierabendlektüre (außer für Anwälte und Richter vielleicht). Und von daher macht es durchaus Sinn, sich mit Kommentaren oder aktuellen Gerichtsurteilen auseinanderzusetzen, um die Anforderungen und Wirkweise zu besser zu verstehen. Aber eins lässt sich sofort und für jeden herauslesen: Einfach Werbung [möglichst noch als digitale Massenaussendung] an alle potentiellen Adressaten raushauen, deren Daten man irgendwo im Internet gefunden oder aus alten hausinternen Datenbanken hervorgeklaubt hat, ist eben nicht einfach so möglich bzw. schnell ein Rechtsverstoß. Und es gibt bei allen Werbekanälen wie Telefon, SMS, Fax, Email oder Post einige Fallen, in die gerne immer wieder mal getappt wird. Und ja, das steht im UWG (der Stein des Anstoßes ist dort meist der § 7 UWG). Mitnichten sind die DSGVO oder das BDSG schuld. Sowas aber auch!
“Ja, aber mit der DSGVO wurde das alles noch viel härter geregelt für uns Werbetreibende!”. — “Nochmal: Nö :-)” (Ja, das wird zum Mantra dieses Beitrags)
Bitte beachten Sie, dass wir mit diesem Beitrag einen allgemeinen Überblick geben möchten. Dieser erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellt auch keine rechtliche Beratung dar. Der Beitrag ersetzt keinesfalls die Beratung durch einen Rechts-/Fachanwalt. Weder für die Richtigkeit noch Vollständigkeit der Angaben können wir daher eine Haftung übernehmen. Eine abschließende Rechtsberatung ist allein der Rechtsanwaltschaft vorbehalten. Und da es im UWG schnell unwitzig und teuer wird, sollten Sie sich stets anwaltlich beraten lassen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. Doch schauen wir uns einfach mal ein paar Beispiele an.
Werbung per analoger Briefpost
Fangen wir mit den guten Nachrichten an: Werbung per Briefpost ist grundsätzlich erst mal erlaubt. Ausnahme: Der Empfänger hat Ihnen gegenüber direkt widersprochen oder steht z.B. auf der sog. “Robinsonliste”. Und ja, es gibt ihn noch, den klassischen Brief in Papierform 🙂
Klingeln an der Haustür
Auch die klassischen Vertreterbesuche sind ein möglicher Werbekanal. Ausnahme auch hier: Der zu Besuchende hat sich gegen Besuche generell bzw. gegen zukünftige Besuche gegenüber dem Werbenden ausgesprochen. Und sofern an der Tür bzw. Klingelanlage ein Hinweis der Art “Vertreterbesuche nicht erwünscht” prangt, sollte dieser auch ernst genommen werden. Dabei kommt es nicht auf den zuvor genannten Wortlaut an. Ist ersichtlich, dass Werbebesuche nicht erwünscht sind, ist das zu respektieren.
Wir haben diesen Hinweis auch schon in Impressumsangaben auf Unternehmenswebseiten gelesen. Sollten Sie Ihr Adressmaterial für die Kaltakquise über diesen Kanal erhoben haben, würden wir eine Beachtung ebenfalls nahelegen.
Das gute alte Telefon
“Na, dann ruf ich dort eben an. Schließlich steht deren Telefonnummer auf der Webseite und / oder im Telefonbuch. Wer nicht angerufen werden will zu Werbezwecken, darf da halt seine Rufnummer nicht veröffentlichen!” — “Kann man so machen, wird aber unangenehm :-)”
So gehört z.B. die Telefonnummer zu den Pflichtangaben im Impressum. Und das sicher nicht, weil der Gesetzgeber damit sicherstellen möchte, dass potentielle Werbetreibende die Rufnummer leichter ausfindig machen können. Nur mal so als Denkanstoß 🙂
Generell gilt erst mal: Werbeanrufe am Telefon sind verboten, außer es liegt vorher (kann man nicht fett genug hervorheben) eine Werbeeinwilligung des Anzurufenden vor. Bitte nicht verwechseln mit der Datenschutz-Einwilligung, auch wenn beides durchaus verknüpft werden kann. Die Betonung liegt hier auf vorher. Es gab nämlich auch schon das eine oder andere Cleverle, dass angerufen hat, um zu fragen, ob man zukünftig zu Werbezwecken anrufen darf. Quasi vorab am Telefon durch einen Anruf die Einwilligung für Telefonwerbung einholen.
Nun, kann man machen, ist aber dann .… Also halten wir einfach kurz fest: “Cold call nix gut”.
Für Unternehmen, die andere Unternehmen zu Werbezwecken anrufen wollen, gibt es jedoch eine kleine Erleichterung. Aber diese ist kein genereller Freibrief und es gilt, die Rahmenbedinungen dafür möglichst konsequent einzuhalten. Die Rede ist von der sog. “mutmaßlichen Einwilligung”, die man als Anrufer erst mal annimmt. Diese ist aber nur denkbar, wenn die beworbenen Produkte und Leistungen dem Kerngeschäft des Angerufenen dienen. In der Rechtsprechung wird dabei meist auch vorausgesetzt, dass vorher bereits irgendein Kontakt bestanden hat. Dies kann durch ein früheres Vertragsgeschäft, aber auch durch einen Kontakt auf einer Messe o.ä. erfolgt sein.
Anruf bei Endverbrauchern? Puh. Sorgen Sie bitte im eigenen Interesse dafür, dass Sie dafür eine korrekte Werbeeinwilligung nachweisen können. Bei dieser Werbeeinwilligung sind bei der zwangsläufigen Nutzung von personenbezogenen Daten dann auch die Anforderungen der DSGVO an eine informierte und freiwillige Einwilligung zu beachten.
“Hah, doch der Datenschutz schuld.” — “Nö.”
Denn in den meisten Fällen scheitert es bereits an den Anforderungen des UWG, bevor in zweiter Stufe mögliche Anforderungen aus Sicht des Datenschutzes zum Tragen kommen. Leider wieder nix mit “Der Datenschutz ist schuld! Not sorry!”
“Und nein, da hat sich durch die DSGVO auch nix geändert. Ja, isso!”
Neben den zuvor genannten Cleverles gibt es aber auch noch die Schlaumis. Die rufen mit unterdrückter Rufnummer an. Mensch, wieso ist da nicht schon mal vorher jemand darauf gekommen? Denn dabei sieht der Angerufene nicht, welche Rufnummer verwendet wurde. So ist man ganz toll versteckt und niemand kommt dem unzulässigen Werbeanrufer auf die Schliche. Für die technisch weniger Versierten: Doch. Denn in den Vermittlungsstellen wird die Nummer des anrufenden Anschlussses doch protokolliert. Nur die Anzeige am Endgerät des Angerufenen wird damit unterdrückt. Man ist dann durchaus mit einem Ordnungsgeld bis zu 300.000 Euro dabei. Okay, auch da gibt es noch weitere Tricks, aber dazu braucht man schon eine gewisse Portion an krimineller Energie.
“Again what learned”.
Ok, wenn Briefpost erlaubt ist, dann mach ich halt Email-Marketing. Da wird ja wohl das selbe gelten.
Oder anders ausgedrückt: “Wir haben ein Bingo”. Nur leider nicht in der vom Werbetreibenden gewünschten Art. Denn laut dem jetzt schon mehrfach zitierten Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb darf Werbung per Email nur demjenigen geschickt werden, der dazu ausdrücklich seine Einwilligung erteilt hat. Und diese Einwilligung muss den selben Anforderungen genügen, wie schon zuvor beschrieben. Und dazu jederzeit belegbar sein.
“Na toll, da hat uns die DSGVO ja ganz schön was eingebrockt.” — “Mitnichten. Das regelte das UWG schon zu Zeiten weiter vor der DSGVO so.”
Aber eine kleine Erleichterung gibt es auch hier. Diese Einwilligung kann gemäß § 7 Absatz 3 UWG entfallen, wenn
- der Werbetreibende die Email-Adresse im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden erhalten hat UND
- er später nur für eigene, ähnliche Waren oder Dienstleistungen wirbt UND
- der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat UND
- er den Kunden schon bei der ersten Erhebung der Adresse und auch bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen hat, dass er der Verwendung jederzeit für die Zukunft widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.”
Dieses UND kann ganz schön nerven, ist aber in dem Zusammenhang echt wichtig. Es müssen nämlich wirklich alle 4 Bedinungen erfüllt sein und nicht nur 1, 2 oder 3 (Grüße von Michael Schanze).
Life hacks
Sinnvollerweise schafft man die Voraussetzungen für spätere Werbeaktionen bereits zum Zeitpunkt des Erstkontakts. Das lässt sich zwar für Altdaten nur schwer rechtskonform nachholen, aber für die Zukunft kann man es ja besser machen. Stichwort “lernende Organisation”.
Auch diese “Wie zufrieden waren Sie mit uns?”-Mails wurden bereits mehrfach gerichtlich als Werbung eingestuft. Charmante Idee. Aber dünnes Eis, diese als Aufhänger zu nehmen.
“Dann machen wir halt Berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DSGVO” rufen die cleveren Oberschlaumis. “Steht ja schließlich so auch in der Orientierungshilfe Direktmarketing der DSK!” Ja, da steht aber auch dabei, dass dies nur für postalische Werbung greifen kann. 😉
Wenn auch aus 2020, so finden Sie in der Präsentation der Kanzlei Dr. Bahr eine leicht verständliche Darstellung relevanter Urteile und deren praktischen Auswirkungen für Werbemaßnahmen. Auch die DSK (Datenschutzkonferenz) hat sich zum Thema Direktmarketing und auch zu den Anforderungen an Werbeeinwilligungen im Datenschutz-Kontext geäußert. Als Orientierungshilfe erst mal nicht verkehrt
Nur weil Sie mal mit jemandem per Email Kontakt hatten, stellt das noch keine wirksame Einwilligung in die Aufnahme Ihres Newsletters dar. “Nein?!” — “Doch” — “Oh”.
Übrigens ist auch die Reaktion eines Autoresponders in der Art “Ich bin dann mal bis zum xx.xx.xxxx nicht im Büro” auf die Frage “Dürfen wir Sie in unseren Email-Verteiler aufnehmen?” keine Zustimmung / Einwilligung 🙂 Alles schon vorgekommen und im Zweifel gerichtlich geklärt.
“Und das alles nur wegen der DSGVO, super!” -> Wir empfehlen, den Artikel noch mal von vorne zu lesen 🙂
Mal in ein paar Urteilen stöbern?
Der geschätzte Martin Rätze hat hier ein Urteil des BGH aus 2009 vorgestellt. Eine einzige Werbemail reicht schon aus für Ungemach. Und wie Christian Solmecke von WBS Law ausführt, hat im selben Jahr ebenfalls der BGH klargestellt, dass eine Email im Impressum keine Werbeeinwilligung darstellt. Wieso man bei Newsletter-Anmeldungen nicht mehr als die Mail-Adresse zum Pflichtfeld machen sollte, erklärt Dr. Martin Schirmbacher in diesem Beitrag. Die Suchmaschinen sind voll von weiteren Urteilen rund um das Thema Werbung. Viel Spaß beim Stöbern.
Kurzes Fazit
Rechtskonforme Werbung ist machbar. Aber möglicherweise ist das nicht ganz so trivial, wie der eine oder andere möglicherweise annimmt. Vieles mag einem als Werbetreibenden auch ungerecht erscheinen. In dem Fall sollte man sich bei all denen bedanken, die es bisher bei Werbung einfach übertrieben haben. Irgendwann reagieren sowohl der Gesetzgeber als auch Gerichte und ziehen die Daumenschrauben enger an. Die vielfältigen Werbe-Möglichkeiten und Kanäle lassen sich auch nicht immer 1:1 abbilden. Dazu gibt es zahlreiche Spezialfälle, Ausnahmen und Besonderheiten. Und ab und zu überholt sich auch der eine oder andere Aspekt schneller, als man es niederschreiben kann. Von daher wenden Sie sich bitte immer an Ihren juristischen Beistand für Werbeangelegenheiten. Fire and forget ist im Kontext von Werbung nicht immer der beste Ansatz, außer Sie haben die Kosten für Abmahnungen etc. bereits von vornherein eingeplant und sind sich sicher, dass die aus der Werbung generierten Zusatzeinnahmen höher sein werden. Damit wird Ihre Werbemaßnahme aber nicht rechtskonform, nur “bezahlt” 😉
Und übrigens: Der Datenschutz ist nicht schuld 🙂 Sorry, das musste sein.